Freitag, 25. September 2009

Logbuch Nr. 36 - Kisuaheli

Wie ich im Logbuch Nr. 35 bereits andeutete, war ich nun Pensionsgast bei Biggi Berchtold (https://www.xing.com/profile/Brigitte_Berchtold, http://www.gedankenschatz.de/) in München.

Der Anreisetag war bereits ausgefüllt mit der Geburtstagsparty am Abend bei Biggi.
Am nächsten Tag ging’s dann auch gleich los bei strahlendstem Sonnenschein und lecker warmen Temperaturen wurde das Interview direkt auf der geräumigen Terrasse durchgeführt.


Die Herausforderung, die mich mir stellte und worüber ich während der Nacht zeitweise in einem Dämmerzustand grübelte, war folgende:
Ich bin Rheinländer mit dem typischen Singsang in der Stimme und leichte Anleihen von den ehemaligen Besatzern Kölns, das französisch angehauchte Genuschel. Jemand aus dem hohen Norden meinte mal zu mir am Telefon, dass ich sehr gut Deutsch sprechen würde für einen Franzosen. Soweit zu mir und den Missverständnissen in der Bevölkerungsverständigung.


Nun zu Biggi. Niemals zuvor habe ich je ein so schnell sprechendes bayrisches Individuum kennen gelernt.Durch und durch ein Ur-Münchner Pflanzerl, textete sie mich fortwährend zu in einer Sprache, die ich eher irgendwo auf Sirius vermutet hätte als auf dieser Erde.
Da ich nicht nach jedem Halbsatz nachfragen wollte, was sie mir nun gerade erzählt hatte, nickte ich oft einfach zum Zeichen meines angeblichen Verstehens und hoffte, dass sie mir da gerade etwas weniger Wichtiges mitgeteilt hat.
Die Quittung für mein sozialhöfliches Verhalten folgte jedoch auf den Fuß. Denn sie war berechtigten Glaubens, dass ich nun die Froni, die Lisa, den Loisl und die dazugehörigen Geschichten kennen und diese auseinander halten konnte. Mitnichten.
So zweifelte Biggi dann irgendwann von ihrer Wahrnehmung her völlig berechtigt an die Funktionalität meines Langzeitgedächtnisses. So nahm ich dann noch vor dem Interview allen Mut zusammen und offenbarte ihr, dass ich nur knapp 10 % von dem verstanden habe, was sie mir bisher in ihrem Münchner Dialekt mitgeteilt hätte.
Und ich schloss eine kleine Bitte daran an, Erbarmen mit mir zu haben, seeeeehr vieeeel laaaaangsaaaaamer mit mir zu sprechen und wenigstens ab und zu mal ein in der Muttersprache Deutsch verständliches Wort einzustreuen.
Biggi nickte eifrig und machte sich fertig zum Interview. Es war sicherlich nicht nur die schon sehr warme Morgensonne daran schuld, dass ich bereits heftig schwitzte.Dann erschien Biggi, strahlend wie der Morgentau, lächelte mich süß an und nickte. Ich durfte mit dem Interview beginnen.

Meine erste Frage war gestellt und ich erwartete nun unmittelbar einen Schwall bayrischer Sätze.Doch nichts kam. Sie lächelte mich weiterhin süß an, neigte den Kopf zur Seite und fing dann an zu sprechen: Ganz langsam und mit beinahe akzentfreiem Hochdeutsch. Mir flogen vor Verwunderung beinahe die Kopfhörerstöpsel aus den Ohren.
Und was sie zu sagen hatte. Hochkonzentriert und mit sehr viel Gefühl, welches sich zum Schluß mit leise rollenden Tränen steigerte, gab sie mir eines der bewegensten Interviews, die ich bislang aufzeichnen durfte.
Als das Interview beendet war, stand sie vom Sessel auf und fragte mich irgendwas in ihrem stakkatoartigen Urbayrisch. Ich nickte wieder automatisch, obwohl ich nichts verstanden hatte.
Dann verschwand sie und kam mit einem Pott Kaffee zurück.

Wenn es um Kaffee geht, der mir angeboten wird, verstehe ich offensichtlich intuitiv alle Sprachen dieser Welt – vielleicht sogar Kisuaheli.

Euer Wolfgang

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